Sexuelle und reproduktive Rechte

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte wurde am 10. Dezember 1948 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verkündet. Die Erklärung ist für Staaten rechtlich nicht bindend. Sie setzt aber ein wichtiges Zeichen für die Stärkung von Menschenrechten drei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Die Erklärung ist ein Ideal, eine Vision und Zielsetzung für die Verwirklichung von Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden für jede einzelne Person. Auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte beziehen sich viele Nationalstaaten, die Vereinten Nationen und Nichtregierungsorganisationen weltweit.

In der Erklärung der Menschenrechte werden Rechte formuliert, auf deren Basis auch die sexuellen und reproduktiven Rechte entwickelt wurden. Die Erklärung besteht aus 30 Artikeln. In Bezug auf sexuelle und reproduktive Rechte ist Artikel 16 besonders interessant, in dem „Ehefreiheit und Schutz der Familie“ formuliert wird. Neben diesem Recht wurde auch diskutiert, ob es nicht auch ein Recht auf Scheidung geben sollte. Dies wurde von katholischen Vertretern abgelehnt. (Quelle: Birke 2020, S.114).

Eine Übersicht über aller Artikel der Erklärung der Menschenrechte findet ihr hier: https://www.menschenrechte.jugendnetz.de/menschenrechte/artikel-1-30/

Literatur: Birke, Roman: Geburtenkontrolle als Menschenrecht. Die Diskussion um globale Überbevölkerung seit den 1940er Jahren, Göttingen, Wallstein, 2020)

1968 fand die erste internationale Konferenz über Menschenrechte in Teheran statt. Hier wird erstmals eine Resolution verabschiedet, die Familiengründung und Fortpflanzung als menschenrechtliches Thema denkt. Familienplanung wird erstmals nicht unter bevölkerungspolitischen Gesichtspunkten betrachtet, sondern als Menschenrecht verhandelt. Laut Resolution haben alle erwachsenen Menschen ein Recht auf Familiengründung und -planung, auf freie Entscheidung über die Anzahl der Kinder und den Abstand zwischen den Geburten. Das Spannungsfeld hier: Im Fokus steht nicht das Individuum, sondern heterosexuelle verheiratete Paare im Kontext patriarchaler Geschlechterverhältnisse.

CEDAW ist die englische Abkürzung für das „Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau“ und wird im Deutschen auch oft einfach UN-Frauenrechtskonvention genannt. CEDAW stellt Mädchen und Frauen und ihr Recht auf ein selbstbestimmtes Leben ohne Gewalt und Diskriminierung in den Fokus. Ziel der Konvention ist es, jede Form von Ungleichheit und Benachteiligung, die Mädchen und Frauen erfahren, abzubauen. Das Ziel ist Geschlechtergerechtigkeit. Das bedeutet, dass Mädchen und Frauen aufgrund ihres Geschlechts nicht schlechter behandelt werden sollen als Jungen und Männer.

Weil CEDAW Mädchen und Frauen und ihr Recht auf Selbstbestimmung in den Vordergrund rückt, gilt die Konvention als das wichtigste Menschenrechtsinstrument für die Rechte von Mädchen und Frauen. In Artikel 12 steht zum Beispiel, dass Frauen den gleichen Zugang zu Gesundheitsdiensten im Bereich der Familienplanung haben wie Männer. In Artikel 16 steht, dass Frauen selbstbestimmt über die Anzahl und den Abstand ihrer Kinder entscheiden dürfen und sowohl eine Ehe eingehen als auch auflösen dürfen. Eine Übersicht zu allen Artikeln findet ihr hier: https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/gleichstellung/internationale-gleichstellungspolitk/vn-frauenrechtskonvention-cedaw-staatenberichtsverfahren-und-dokumente-80794

CEDAW wurde am 18. Dezember 1979 von der UN-Generalversammlung verabschiedet. Die Konvention trat 1981 in Kraft. Seit der Verabschiedung haben 189 Staaten, darunter Deutschland im Jahr 1985, die Konvention ratifiziert. In Deutschland hat die Konvention somit die gleiche Bedeutung wie ein Bundesgesetz. Um sicherzugehen, dass die Länder die Konvention auch umsetzen, müssen die Länder regelmäßig über den Stand der Umsetzung berichten. Das nennt sich Staatenberichtsverfahren. Mehr Informationen zum Staatenbericht aus Deutschland findest du hier: https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/alle-meldungen/neunter-cedaw-staatenbericht-beschlossen-180966

Wenn ein Land, das die Konvention ratifiziert hat, gegen ihre Bestimmungen verstößt, können Frauen vor nationalen Gerichten klagen. Wenn es allerdings bis zum höchsten nationalen Gericht keine zufriedenstellende Lösung für die Frau gibt, kann sie eine Individualbeschwerde bei den Vereinten Nationen einlegen.

ICPD = International Conference on Population and Development

Auf der UN-Weltbevölkerungskonferenz in Kairo wurde ein wegweisendes Aktionsprogramm verabschiedet. Ein Aktionsprogramm ist wie eine Erklärung und somit rechtlich nicht bindend. Im Aktionsprogramm wird zum ersten Mal das Recht auf reproduktive Gesundheit festgeschrieben und es enthält Maßnahmen, die die Umsetzung des Rechts auf reproduktive Gesundheit gewährleisten sollen: Sexualaufklärung für Kinder und Jugendliche, Behandlung von sexuell übertragbaren Krankheiten, sichere Versorgung bei Schwangerschaftsabbrüchen, Schwangerschaftsvorsorge, Geburtshilfe und Versorgung von Neugeborenen. Sexualität, Familienplanung und Reproduktion wurden mit individuellen Rechten von Frauen und Männern verknüpft.

Man sagt deswegen auch, dass das Aktionsprogramm von Kairo einen Paradigmenwechsel darstellt. Damit ist ein grundlegendes Umdenken gemeint: an die Stelle ganzer Bevölkerungen, die kontrolliert und gelenkt werden sollen, tritt der einzelne Mensch, treten insbesondere Mädchen und Frauen mit ihren Rechten. Sie sind Trägerinnen von Menschenrechten, zu denen individuelle Freiheit, Bildung, Gleichstellung, körperliche Unversehrtheit und selbstbestimmte Entscheidungen zählen.

Das Aktionsprogramm wurde auf 20 Jahre angelegt. Bis 2014 sollte allen Menschen Zugang zu Sexualaufklärung, Verhütungsmitteln und Familienplanung, zum Schutz vor HIV und AIDS sowie zur Gesundheitsversorgung bei Schwangerschaft und Geburt ermöglicht werden.

„Nach der Teilnahme an der Internationalen Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung (ICPD) in Kairo und einer Reihe nationaler Konferenzen in den Vereinigten Staaten versammelte sich 1994 eine Gruppe schwarzer Frauen in Chicago, um eine neue Bewegung für reproduktive Gerechtigkeit für Frauen ins Leben zu rufen. Der Black Women's Caucus der Illinois Pro-Choice Alliance teilte die Frustration über den globalen Status der reproduktiven Gesundheit schwarzer Frauen und die Grenzen einer auf der Privatsphäre basierenden "Pro-Choice"-Bewegung, wenn farbige Frauen nur minimale Wahlmöglichkeiten haben, und stellte die Notwendigkeit fest, einen Menschenrechtsrahmen für farbige und einkommensschwache Frauen anzunehmen, der Fragen der körperlichen Autonomie mit reproduktiven Entscheidungen verbindet.“ (In Our Own Voice: National Black Women's Reproductive Justice Agenda)

Reproduktive Gerechtigkeit stellt sexuelle und reproduktive Rechte in den intersektionalen Zusammenhang von sozialen Lagen und von Rassismus. Sexuelle und reproduktive Rechte sollen demnach immer auch vor dem Hintergrund von Diskriminierungen, Ausgrenzungen durch Armut und deren Folgen gesehen und beleuchtet werden. Die Forderung nach pro choice also Wahlfreiheit allein reicht nicht aus, wenn nicht gesehen wird, dass echte Wahlfreiheit nur gegeben sein kann, wenn es gleichberechtigte Bildung, Chancengleichheit, demokratische Partizipation und soziale Gerechtigkeit gibt. Die Erfahrungen schwarzer und indigener Frauen ernst zu nehmen, heißt demnach auch, Zwangssterilisationen als Gewalt gegen benachteiligte und diskriminierte Bevölkerungsgruppen zu bekämpfen. Ungerechte gesellschaftliche Verhältnisse, mangelnde Partizipation und ungleiche Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums machen Schwangerschaftsabbrüche für von Rassismus und Armut betroffenen Frauen wahrscheinlicher und sind deshalb nicht nur eine Frage der individuellen Entscheidung für oder gegen das Austragen einer Schwangerschaft. Vielmehr werden sie durch ungerechte gesellschaftliche Verhältnisse, denen Frauen unterworfen sind, mitentschieden. Echte Wahlfreiheit dagegen setzt voraus, dass es gerechte Umstände und Zugänge zu kulturellen, ökonomischen und politischen Ressourcen gibt, die Entscheidungen erst ermöglichen. Aus Sicht von Schwarzen und Indigenen ist dies aber häufig nicht der Fall. Das Konzept reproduktive Gerechtigkeit beansprucht eine universelle Perspektive. Das Recht auf Zugang zum rechtlich und medizinisch sicheren Schwangerschaftsabbruch wird dabei als ein zentral wichtiges Recht gesehen. Aus der Perspektive der reproduktiven Gerechtigkeit muss es aber viel stärker als bisher als ein Recht gesehen werden, das politisch nicht ausschließlich auf die Frage von pro choice oder anti choice zugespitzt wird. Deutlich macht das Konzept der reproduktiven Gerechtigkeit, dass die Diskussionen um SRGR immer wieder mit den spezifischen Erfahrungen und Lebenslagen von Schwarzen und sozial deprivierten Frauen auch und besonders in den Ländern des globalen Südens erweitert werden muss.

Die erste systematische Gesamtschau auf die Menschenrechtsgewährleistung für LSBTIQA+ sind die Yogyakarta-Prinzipien (2007). Ihr wichtigstes Anliegen ist die Bekämpfung von Gewalt und strafrechtlicher Verfolgung von Homosexualität. Das Themenspektrum umfasst jedoch u.a. auch den Zugang zu Bildung und das Recht auf Familiengründung. 10 Jahre später (2017) werden neue Prinzipien wie das Recht auf körperliche und mentale Integrität aufgenommen (Yogyakarta +10). Neben Geschlechtsidentität und sexueller Orientierung wird explizit auf „gender expression“ und „sex characteristics“ Bezug genommen.

International Planned Parenthood Federation (IPPF)

Die IPPF ist die größte Nichtregierungsorganisation für sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte mit weltweit 170 Mitgliedsorganisationen.

Alle Menschenrechte sind universell, unteilbar, voneinander abhängig und stehen in Wechselbeziehung zueinander“. Das ist das Leitmotiv der Charta der sexuellen und reproduktiven Rechte, die die IPPF nach der Konferenz von Kairo verabschiedet hat. 2008 folgte die IPPF Erklärung „Sexuelle Rechte“. in ihr werden nun auch sexuelle sexuelle Rechte auf die Universalität der Menschenrechte bezogen und der weltweiten Arbeit zugrunde gelegt.

Beide Proklamationen beziehen sich im Buchstaben und im Geiste auf die allgemeine Erklärung der Menschenrechte, auf UN Konventionen, das Kairoer Aktionsprogramm und bauen auf frauenpolitischen Positionen ein. Sie betonen die individuellen Entscheidungs- und Informationsrechte in Bezug auf Familienplanung, die nicht für bevölkerungspolitische Zwecke missbraucht werden darf.

Inhalt der Konvention:

Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN‑Behindertenrechtskonvention, UN-BRK) ist eine internationale Vereinbarung. Dort stehen die Rechte von Menschen mit Behinderung. Menschen mit Behinderung dürfen nicht schlechter als andere Menschen behandelt werden.

Die Länder müssen dafür sorgen, dass Menschen mit Behinderung ihre Rechte bekommen.
Dafür sollen die Länder mit Menschen mit Behinderung zusammen arbeiten.
Auch Kinder mit Behinderung sollen gefragt werden, was sie wollen.
Denn Menschen mit Behinderung wissen selbst am Besten, was sie brauchen.

Jedes Land, dass die Vereinbarung unterschreibt, muss sich an die Regeln halten.
Das bedeutet:
Deutschland muss sich an diese Regeln halten. Die Vereinbarung gilt für das ganze Land.

Nicht alle Regeln müssen sofort beachtet werden, aber so schnell wie möglich. Hat ein Land schon gute Regeln, gelten immer die Regel, die besser ist.

Auswirkungen auf die SRR:

Die UN-BRK erklärt die allgemeinen Menschenrechte aus dem Blickwinkel von Menschen mit mit Behinderungen und berücksichtigt ihre spezifischen Lebenslagen. Behinderung wird als selbstverständlicher Teil der Vielfalt menschlichen Lebens gesehen. Menschen mit Behinderungen müssen immer beteiligt werden. Das Motto der UN-BRK heißt: „Nichts über uns – ohne uns“.

Die UN-BRK ist das bislang wichtigste Menschenrechtsinstrument für Menschen mit Behinderungen. Die UN-BRK nennt nicht die Worte „Recht auf sexuelle Selbstbestimmung“. Aber dieses Recht ist eindeutig aus den allgemeinen Grundsätzen (Artikel 3) und den in Artikel 5 zur Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung und in Artikel 22, Absatz 1 zur Achtung der Privatsphäre und Artikel 23 Absatz 1 und 2 zur Achtung der Wohnung und Familie genannten Menschenrechten abzuleiten. Eine Übersicht aller Artikel der UN-BRK findest du unter diesem Link: https://t1p.de/pcmkg

Die UN-BRK wurde am 13. Dezember 2006 von der UN-Generalversammlung verabschiedet. Die Konvention trat 2008 in Kraft. Seit der Verabschiedung haben 182 Staaten, darunter Deutschland 2009 die Konvention ratifiziert. In Deutschland hat die Konvention somit die gleiche Bedeutung wie ein Bundesgesetz. Um sicherzugehen, dass die Länder die Konvention auch umsetzen, müssen die Länder eine unabhängige Stelle einrichten, die regelmäßig über den Stand der Umsetzung berichten. Das nennt sich Montioringverfahren. Für Deutschland macht das das Deutsche Institut für Menschenrechte. Informationen dazu findest du hier: https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/das-institut/abteilungen/monitoring-stelle-un-behindertenrechtskonvention

Wenn ein Land, das die Konvention ratifiziert hat, gegen ihre Bestimmungen verstößt, können Menschen mit Behinderung vor nationalen Gerichten klagen. Wenn es allerdings bis zum höchsten nationalen Gericht keine zufriedenstellende Lösung gibt, kann eine Individualbeschwerde bei den Vereinten Nationen eingelegt werden.

Europarat - Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul Konvention)

- Empfehlungen zur Umsetzung der UN-Frauenrechtskonvention